MENÜ

SUCHEN

Jedes Kind hat das Recht auf Bildung

Nicht die Kinder sind das Problem – das System ist es

Kommentar von Sandra Walla-Trippl
Generalsekretärin Lebenshilfe Steiermark
 

Jedes Kind hat das Recht auf inklusive Bildung. Wir müssen aufhören, das „Ob“ zu diskutieren und uns endlich dem „Wie“ widmen.

In den vergangenen Wochen hat erst die Diskussion um Schulassistenz hohe Wellen geschlagen: zu wenige Stunden, zu hohe Kosten, Verwirrung um Bescheide. Nun sorgt ein E-Mail aus einer Landesabteilung für Aufregung. Darin ist die Rede von „de facto nicht schulfähigen Kindern“ – bei Eltern wie auch bei Pädagog*innen sorgt das verständlicherweise für Verunsicherung.

Erst vergangenen Sonntag hat sich das Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (UN BRK) in Österreich zum 17. Mal gejährt. Darin festgehalten: Das Recht eines jeden Kindes auf inklusive Beschulung. Das würde bedeuten, Kinder mit und ohne Behinderung lernen mit- und voneinander.
Aber wie es so schön heißt: Papier ist geduldig. Denn insgesamt gesehen sind wir noch weit von der vollständigen Umsetzung der UN BRK entfernt. Bildungs- und Inklusionsexpert*innen sprechen sogar davon, dass Österreich gerade eine Rückkehr zur Sonderschule vollzieht.

Was wir in den Diskussionen allzu oft vergessen: Das „Ob“ steht nicht mehr zur Debatte, es ist ein Menschenrecht. Stattdessen sollten wir uns vielmehr dem „Wie“ widmen. Denn eines ist klar: Unser Bildungssystem steht vor massiven Herausforderungen: es fehlt an Personal, an barrierefreien Räumlichkeiten und nicht zuletzt an finanziellen Mitteln. Was Lehr- und Assistenzkräfte tagtäglich stemmen, ist beeindruckend und geht oft über ihre Grenzen hinaus.

All diese Probleme werden wir nicht lösen können, wenn wir an einem bröckelnden System weiterhin herumschrauben. Es ist weder damit getan, Kinder mit Behinderung wieder vermehrt in Sonderschulen zu schicken, noch von heute auf morgen alle Sonderschulen zu schließen.
Vielmehr täten wir gut daran, einen Grundsatz zu verinnerlichen:
Nicht die Kinder sind das Problem, sondern ein starres System, das ihnen nicht gerecht wird.
Statt von „nicht schulfähigen Kindern“ zu sprechen, sollten wir darüber reden, wie eine Schule aussehen könnte, in der alle Kinder miteinander lernen und leben können.
Wie wir Schulklassen schaffen, in denen Schüler*innen in ihren Fähigkeiten und Talenten bestärkt werden können.
Wie wir Begegnungsräume schaffen, in denen Kinder mit und ohne Behinderung ohne Berührungsängste aufwachsen können.
Wie wir die Sorgen und Ängste von Eltern ernst nehmen können und Pädagog*innen die Werkzeuge in die Hand geben und sie bestärken können.
Wie wir ein Bildungssystem schaffen, in dem sich nicht unsere Kinder dem System anpassen müssen – sondern umgekehrt.

 

UN-Konvention, Artikel 24, Absatz 2a

 

Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden.

Lebenshilfe Steiermark
Mariahilferplatz 5/1
8020 Graz